Spätsommer – der Übergang vom Sommer zum Herbst
aus Yoga aktuell vom September 2014
Autorin: Lucia Nirmala Schmidt
Das Leben ist wie ein Orkan. Gewaltig. Turbulent. Mit Höhen und Tiefen. Mit Freude und Schmerz. Oft völlig unvermutet, katapultiert es uns aus dem Gleichgewicht. Doch wenn wir uns dem Zentrum eines Taifuns nähern, erwartet uns in seinem Kern, in seinem Wesen, eine Überraschung: Es wird leise und ruhig. Alle Unordnung löst sich auf, Ordnung breitet sich aus. Wenn wir auf den Kern des Lebens zukommen, auf unser eigenes Innerstes, verstummen auch da alles Tosen und aller Lärm, es wird friedvoll und ganz still.
Wenn wir uns in der Peripherie, den Äußerlichkeiten des Lebens verfangen, wenn wir uns von unserem innersten Selbst immer weiter entfernen, verlieren wir die Ruhe und die Übersicht. Wir werden unbesonnen, verlieren unsere Gelassenheit und Souveränität.
Diese besondere Jahreszeit wird dem Element Erde zugeordnet. Innerhalb des so genannten „Kosmologischen Zyklus“ steht die Erde im Zentrum der fünf Elemente, und die anderen vier ordnen sich um die Erde herum an.
Im Kreis der Elemente hat die Erde also eine Sonderstellung: Sie bildet sozusagen das Zentrum, um das sich alles dreht. Es ist also ein bewusstes Spiel mit der Polarität, um dadurch in die Mitte zu kommen. Eine Mitte, aus der heraus sich erst Gleichgewicht, Stabilität, Kraft und Gelassenheit entwickeln können. In der „Mitte“ wird es nicht langweilig. Man kann differenzierter und intensiver wahrnehmen, ist aber ganz bei sich, um die Fülle zu erleben.
Die Erde ist wie die Mutter, die unseren physischen Körper versorgt und nährt. Ohne sie hätten wir keinen „Boden unter den Füßen“ und keinen Platz, auf dem das Haus des physischen Körpers gebaut werden könnte. In ihrer lebendigen inneren Mitte liegen Kraft, Geborgenheit und Schutz.
Das Erdelement zeigt sich im Wechsel der Jahreszeiten. Der Spätsommer ist die Zeit der Wärme, der Fülle und des Überflusses. Es ist die Zeit der Ernte und der Erntedankfeste. In bäuerlichen Gemeinschaften werden die Früchte des Waldes und des Feldes gesammelt, und die Vorratskammern und Speicher werden gefüllt. Eine wichtige Arbeit in der Zeit ist die Auswahl und Verarbeitung der Nahrungsmittel, die das Überleben für den ganzen Winter gewährleisten. Es ist die Zeit des Sammelns und der Sammlung.
Im Menschen drückt sich das Element Erde durch Mitgefühl, Anerkennung und Sympathie und durch ein Gefühl von Liebe und Verbundenheit mit der eigenen Umgebung aus. Man findet dieses Gefühl bei Menschen, die sich auch in einer neuen Umgebung sehr bald wohl und von den anderen angenommen fühlen. Dieses Grundgefühl gibt Selbstsicherheit und Gelassenheit.
Eine gefestigte Mitte zeigt sich an sehr zuverlässigen Menschen, die mitfühlend, unterstützend und verlässlich sind. Menschen mit viel Erdenergie lieben es, aus ihrer Fülle zu geben. Damit schaffen sie Vertrauen und Gelassenheit, das Leben so anzunehmen, wie immer es gerade ist. Ist die Erdenergie aber im Ungleichgewicht, entsteht aus natürlicher Vor-Sorge beengende Sorge, die auf den Magen und die Verdauung schlägt. Unablässiges Nachdenken zerstreut und kann schwermütig machen, manchmal auch festgefahren, stur, unbeweglich und orientierungslos. Die Sorge, nicht gut genug zu sein, lässt den Erdmenschen aus dem Gleichgewicht kommen. Oft gibt er dann zu viel von sich selbst, oder er bettelt um Aufmerksamkeit und erschöpft seine Energien.
Die Organe Magen und Milz werden dem Element Erde zugeordnet. Milz/Pankreas (Yin) und Magen (Yang) haben die Aufgaben der Verdauung und Transformation von Nahrung in Energie. Bei den Sinnesorganen sind es die Lippen und der Mund mit dem Schmecken und Genießen. Alle Erdtöne und die Farbe Gelb entsprechen diesem Element, ebenso wie die Muskeln, das Binde- und Fettgewebe sowie das Verdauungssystem und die Lymphe.
Affirmationen für den Spätsommer
Mutter Erde nährt mich bedingungslos.
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Ich bin entspannt und fühle mich geborgen.
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Ich bin zuversichtlich.
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Ich bin gelassen.
Für das Kurzprogramm eignen sich v.a. Gleichgewichtsübungen, Übungen zu einer Seite (Polarität), Übungen, die die Körpermitte ansprechen, wie z.B. Rotation oder Stabilisation, sowie Dehnungen über den Verlauf der Magen- und Milzmeridiane (d.h. Rückbeugen).
Das Element Erde stärken und in der eigenen Mitte verweilen: eine Sequenz, mit der Sie die Qualitäten des Spätsommers voll auskosten können
1. Kriegerin an der Wand
Ein Bein als Standbein wählen (z.B. links) und das andere Bein gestreckt nach hinten an die Wand führen. Sich in einer Variante von Virabhadrasana 3 einrichten, mit den Armen neben dem Körper. Den Fuß bewusst in die Wand „hineinschieben“ bzw. sich gleichsam von der Wand wegdrücken. Auf eine Innenspirale im Bein achten – das hilft, das Becken auszurichten und die Kraft im Bauch und im Rücken optimal anzusprechen und zu koordinieren. Den Scheitelpunkt bzw. Hinterkopf bewusst vom Fuß wegdehnen. Das richtige Maß
an Kraft und Gelöstheit finden. Sich während drei bis fünf gelassener Ujjayi-Atemzüge in dieser Haltung verankern. Als Variation können die Arme mit dem Atem gestreckt nach vorne geführt werden. Durch den langen Hebel wird die Übung so um einiges schwerer. Von hier aus direkt in die nächste Übung gehen.
2. Gedrehter Halbmond an der Wand
Aus der Krieger-Variante die rechte Hand nach unten fließen lassen, während der Oberkörper nach links zum Standbein hin geöffnet wird. Dabei immer bewusst den Fuß gegen die Wand drücken, mit dem Gefühl, die Wand wegschieben zu wollen oder sich gleichsam von der Wand wegzustoßen. Für drei bis fünf Ujjayi-Atemzüge verweilen. Das eigene Maß an Anstrengung und Loslassen finden, so dass der Atem frei fließen kann. Durch die körperliche Zentrierung Stabilität erleben. Eine Erdung in sich selbst erfahren. Auflösen in Uttanasana (stehende Vorbeuge). Danach beide Übungen auf der anderen Seite wiederholen.
3. Gestützte Fisch-Variante
In der Schmetterlingshaltung ein Handtuch unter den Rücken legen, die Arme können bei Bedarf mit einer Decke unterlagert und die Knie mit einem kleinen Kissen entlastet werden. In dieser gestützten Rückbeuge können Sie tief durchatmen, innerlich weit werden und sich wunderbar regenerieren. Wenn Sie möchten, können Sie sich mit einer warmen Decke zudecken. In dieser Haltung können Sie bis zu 20 Minuten verweilen. Wenn es Ihnen gelingt, in der Entspannung ganz bei sich zu sein und tief innen anzukommen, gibt es keinen Mangel. Nur Fülle, Glück, Frieden u. Dankbarkeit